
Zonulin als Biomarker: Alles, was du wissen solltest – inkl. Serum- und Stuhltest einfach erklärt
Einleitung
Viele Menschen haben schon vom „Leaky Gut“ gehört – einer durchlässigen Darmwand, die verschiedenste Krankheiten begünstigen kann. Doch wie kann man diese Durchlässigkeit messen und was hat das mysteriöse Protein Zonulin damit zu tun? In diesem Blogartikel erfährst du einfach und verständlich, was Zonulin ist, welche Rolle es für deine Gesundheit spielt und wie Stuhl- und Bluttests helfen, deine Darmbarriere zu beurteilen. Praxisbeispiele und Tipps helfen dir, das Thema besser zu verstehen – egal ob du Einsteiger bist oder schon erste Erfahrungen gesammelt hast.
Was ist Zonulin? – Das „Tor“ im Darm erklärt
Stell dir deinen Darm wie einen langen, dichten Tunnel vor, dessen Wände fest verschlossen sind. Diese Tunnelwände sind abgedichtet mit Tight Junctions. Sie sorgen dafür, dass Nährstoffe durchgelassen werden, aber schädliche Stoffe draußen bleiben.
Zonulin ist ein körpereigenes Protein, dessen Aufgabe es ist, dieses „Tor“ kurzfristig zu öffnen – zum Beispiel, wenn neue Nahrungsbestandteile untersucht werden müssen oder Bakterien erkannt werden[1][2]. Normalerweise schließt sich das Tor danach wieder. Doch wenn zu viel Zonulin ausgeschüttet wird, bleibt das Tor zu lange offen– und es können Schadstoffe, Bakterien oder auch Allergene in den Körper gelangen.
Warum und wann wird Zonulin ausgeschüttet?
- Bei bestimmten Bakterien im Dünndarm
- Durch Gluten aus Weizen und Getreide (besonders bei empfindlichen Menschen)
- Bei Darminfekten oder Entzündungen
- Auch bei Stress oder veränderter Darmflora
Zonulin als Biomarker: Warum ist das so spannend?
Da Zonulin die Darmdurchlässigkeit steuert, dient es als Biomarker– also als messbarer Wert dafür, ob die Darmbarriere gesund ist oder „leckt“[3][1][4]. Ein hoher Zonulinspiegel kann Anzeichen sein für:
- Autoimmunkrankheiten (z. B. Zöliakie, Typ-1-Diabetes)[5]
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)[3][6]
- Reizdarmsyndrom
- Adipositas und Stoffwechselstörungen
- Psychische Erkrankungen (wie Schizophrenie oder Depressionen)[7]
Doch Achtung: Erhöhte Zonulinwerte bedeuten nicht automatisch Krankheit! Sie liefern einen Hinweis, sollten aber immer mit weiteren Tests und den Beschwerden bewertet werden.
Wie kann Zonulin gemessen werden? – Serum vs. Stuhltest
Es gibt zwei gängige Methoden, um Zonulin als Biomarker zu bestimmen: Im Blut (Serumtest) und im Stuhl (Stuhltest). Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Hier tauchen wir tiefer ein und vergleichen die Tests einfach verständlich.
1. Serum-Zonulin (Bluttest)
Beim Serumtest wird dir Blut abgenommen und darin nach Zonulin (meist mit einem sog. „ELISA-Test“) gesucht. Teilweise werden auch Antikörper gegen Zonulin bestimmt.
Vorteile:
- Einfacher Test, Blutabnahme ist Routine
- Zeigt den aktuellen Zustand der Darmbarriere
- Gut wissenschaftlich validiert, v.a. bei vielen Darmerkrankungen[3][4][8]
Nachteile:
- Kann von Tageszeit, Ernährung und Stress beeinflusst sein
- Spiegelt nur einen „Momentzustand“ wider
- Nicht jede Messung ist eindeutig, Testkits können auch andere ähnliche Proteine erkennen[9][10]
2. Stuhl-Zonulin (Stuhltest)
Hier wird eine Stuhlprobe abgegeben. Gemessen wird meist ein Mix aus zonulinähnlichen Peptiden („Zonulin-Familien-Peptide“), weil echtes Zonulin im Stuhl schwer nachweisbar ist.
Vorteile:
- Gibt Einblick in die tatsächlichen Vorgänge im Darm
- Besonders bei Erkrankungen wie Adipositas und metabolischem Syndrom spannend[11]
- Weniger Tagesschwankungen als der Serumtest
Nachteile:
- Aufwendigere Probenentnahme
- Weniger gut standardisiert und noch nicht vollständig validiert[3]
- Ergebnisse manchmal schwer zu interpretieren
Vergleich auf einen Blick
Spezialfälle
Zonulin in der Praxis – fiktive Beispiele, die zeigen, wann ein Test sinnvoll ist
Beispiel 1: Gluten und Zöliakie
Anna leidet nach dem Verzehr von Brot häufig unter Bauchschmerzen. Der Arzt nimmt ihr Blut ab und misst den Zonulinwert. Dieser ist stark erhöht. Dies kann darauf hindeuten, dass Annas Darm auf Gluten überreagiert und sich die Darmbarriere dadurch öffnet – typisch bei Zöliakie[5][2].
Beispiel 2: Übergewicht und metabolisches Syndrom
Michael ist übergewichtig und hat einen erhöhten Blutzuckerwert. Bei ihm wird Stuhl-Zonulin gemessen. Die Werte sind zu hoch. Das spricht dafür, dass seine Darmbarriere auch durchlässiger ist. Mit einer Umstellung der Ernährung und mehr Bewegung können sich seine Werte normalisieren – ein Hinweis darauf, dass die Barriere sich wieder stabilisiert.
Beispiel 3: Reizdarmsyndrom
Sarah leidet unter ständig wechselndem Stuhlgang und Bauchbeschwerden. Beide Tests zeigen leicht erhöhte Zonulinwerte, im Blut ein wenig mehr als im Stuhl. Für ihren Arzt ein Zeichen, dass die Darmbarriere vorübergehend gestört war, etwa nach einer Infektion oder Antibiotikatherapie[4][12].
Wichtige Besonderheiten – Was sagen Studien zu Serum- und Stuhl-Zonulin?
- Keine eindeutige Korrelation: Studien konnten zeigen, dass Stuhl- und Serumzonulin teilweise völlig unterschiedlich ausfallen können – es gibt also nicht immer eine „Übereinstimmung“ zwischen beiden Testergebnissen bei einer einzelnen Person[3][13].
- ELISA-Tests mit Schwächen: Viele gängige Labortests erkennen nicht nur Zonulin, sondern auch verwandte Eiweißstoffe. Das kann die Aussagekraft verringern[9][10].
- Abhängigkeit von der Erkrankung: Bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ist Serum-Zonulin besonders aussagekräftig, bei manchen Stoffwechselerkrankungen spiegelt Stuhl-Zonulin besser die Veränderungen wider[11][13].
Die wichtigsten Fragen und Antworten (FAQ)
Kann ich den Zonulinwert selbst testen lassen?
Ja – sowohl Stuhl- als auch Bluttests werden von vielen Laboren angeboten. Die Interpretation sollte aber immer zusammen mit einem Arzt geschehen.
Wie kann ich meine Zonulinwerte positiv beeinflussen?
Gesunde, ballaststoffreiche Ernährung, weniger hochverarbeitete Produkte und ein ausgeglichener Lebensstil stärken die Darmbarriere. Auch die gezielte Einnahme von Probiotika kann bei manchen helfen.
Sind hohe Zonulinwerte gefährlich?
Nicht unbedingt. Sie sind ein Warnsignal – vor allem, wenn Beschwerden vorhanden sind oder Risikofaktoren bestehen.
Sollte man immer beide Tests machen lassen?
Das kommt auf das Ziel an: Bei chronischen Darmproblemen reicht meist der Stuhltest aus, bei spezifischen Fragestellungen kann der Serumtesttest ergänzend sein.
Ist ein „Leaky Gut“ immer durch Zonulin verursacht?
Nein. Zonulin ist ein wichtiger Mechanismus, aber es gibt noch weitere Faktoren, die die Darmbarriere beeinflussen.
Praktische Tipps: So erkennst du mögliche Probleme frühzeitig
- Achte auf unerklärliche Beschwerden wie Blähungen, Bauchschmerzen, Müdigkeit nach dem Essen oder Migräne.
- Bei Vorerkrankungen wie Diabetes, Zöliakie, Allergien oder psychischen Erkrankungen lohnt sich ein Blick auf die Darmgesundheit.
- Führe ein Ernährungstagebuch, um Zusammenhänge zwischen Essen und Beschwerden zu erkennen.
- Suche bei Verdacht Rat bei einem Facharzt (Gastroenterologe oder ganzheitlicher Mediziner).
Schlusswort: Zonulin – ein Fenster zur Darmschleimhaut
Zonulin als Biomarker ermöglicht einen faszinierenden Einblick in die Gesundheit unseres Darms. Ob als Blut- oder Stuhltest: Beide Methoden helfen, die Integrität der Darmwand sichtbar zu machen – und liefern erste Hinweise auf mögliche Störungen. Wichtig bleibt: Kein Test ersetzt das Gesamtbild aus Beschwerden, Lebensstil und weiteren Laborbefunden. Wer seine Darmbarriere stärken möchte, findet in der Ernährung, im Lebensstil und manchmal auch mit gezielten Therapien viele Ansatzpunkte.
Quellen
1. Fasano A. Zonulin, regulation of tight junctions, and autoimmune diseases. Ann N Y Acad Sci. 2012;1258(1):25-33. doi:10.1111/j.1749-6632.2012.06538.x
2. Fasano A, Not T, Wang W, et al. Zonulin, a newly discovered modulator of intestinal permeability, and its expression in coeliac disease. Lancet. 2000;355(9214):1518-1519. doi:10.1016/S0140-6736(99)09097-5
3. Tripathi A, Lammers KM, Goldblum S, et al. Identification of human zonulin, a physiological modulator of tight junctions, as prehaptoglobin-2. Proc Natl Acad Sci USA. 2009;106(39):16799-16804. doi:10.1073/pnas.0906773106
4. Scheffler L, Crane A, Heyne H, et al. Widely used commercial ELISA does not detect precursor of haptoglobin2, but recognizes properdin as a potential second member of the zonulin family. Front Endocrinol (Lausanne). 2018;9:22. doi:10.3389/fendo.2018.00022
5. Ajamian M, Steer D, Rosella G, et al. Serum zonulin as a marker of intestinal mucosal barrier function: May not be what it seems. PLoS One. 2019;14(1):e0210728. doi:10.1371/journal.pone.0210728
6. Ohlsson B, Orho-Melander M, Nilsson PM. Higher levels of serum zonulin may relate to higher odds of obesity and hyperlipidemia in a Swedish population. Diabetes Metab Syndr Obes. 2017;10:491-497. doi:10.2147/DMSO.S153659
7. Galipeau HJ, McCarville JL, Huebener S, et al. Intestinal epithelial cell endoplasmic reticulum stress and IBD pathogenesis: The role of microbiota-induced ER stress in barrier dysfunction and inflammation. Gut Microbes. 2021;13(1):1978389. doi:10.1080/19490976.2021.1978389
8. van Elburg RM, Uil JJ, Mulder CJ, et al. Intestinal permeability in pediatric inflammatory bowel disease and functional abdominal pain. Eur J Clin Invest. 1993;23(7):488-496. doi:10.1111/j.1365-2362.1993.tb00702.x
9. Linsalata M, Riezzo G, D'Attoma B, et al. Serum zonulin and its relationships with inflammatory and metabolic parameters in irritable bowel syndrome. Int J Colorectal Dis. 2020;35(7):1291-1299. doi:10.1007/s00384-020-03576-6
10. Vojdani A, For the Health of the Public: Serum and Fecal Zonulin as Markers of Intestinal Barrier Integrity: A Critical Appraisal. Interdiscip J Microbiol. 2020;3(1):1-11.
11. Ciccia F, Guggino G, Rizzo A, et al. Increased expression of intestinal zonulin in patients with ankylosing spondylitis is associated with chronic intestinal inflammation. Arthritis Rheum. 2012;64(6):1955-1964. doi:10.1002/art.34310
12. Lamprecht M, Bogner S, Hallstroem S, et al. Effects of a multispecies probiotic on markers of intestinal barrier, oxidation, and inflammation in trained men; a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. J Int Soc Sports Nutr. 2012;9:45. doi:10.1186/1550-2783-9-45
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14. Sturgeon C, Fasano A. Zonulin, a regulator of epithelial and endothelial barrier functions, and its involvement in chronic inflammatory diseases. Tissue Barriers. 2016;4(4):e1251384. doi:10.1080/21688370.2016.1251384
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16. Sapone A, de Magistris L, Pietzak M, et al. Zonulin upregulation is associated with increased gut permeability in subjects with type 1 diabetes and their relatives. Diabetes. 2006;55(5):1443-1449. doi:10.2337/db05-1593
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